Ein Grundsatz aus der Psychologie lautet: Das, was du benennen kannst, kannst du auch verarbeiten. Doch sind wir uns über unsere Gefühle wirklich immer genau im Klaren? Ich meine, wer, wenn nicht wir, sollte es sein?
Doch hier kommt eine perfide Eigenheit narzisstischer Systeme ins Spiel, die es Opfern und Überlebenden besonders schwer macht, mit dem Erlebten umzugehen:
Der Missbrauch wird geleugnet.
Immer. Überall. Anderen Menschen gegenüber und dir gegenüber auch. Toxische Menschen wollen, ja dürfen sich nicht mit dem Unrecht konfrontiert sehen, das sie selbst verursachen, denn das würde ja ihr Selbstbild beschädigen. Also wirst du zum Schweigen gebracht. Durch
- Drohungen,
- Kommunikationsverweigerung,
- Schuldgefühle
- Schuldverschiebung oder auch
- offene Lügen, die oft an Dreistigkeit nicht zu überbieten sind.
Dir wird erklärt, deine Wahrnehmung sei falsch oder auch, deine Gefühle seien falsch. Irrelevant seien sie ohnehin, aber in den Augen des Narzissten und seiner Mitläufer sind sie auch falsch. Im schlimmsten, aber gar nicht so seltenen Fall, wirst du als gestört und krank bezeichnet. Immer geht es darum, dass der eigentliche Täter (oder die Täterin) sich nicht mit den Taten auseinandersetzen muss. Sich nicht selbst hinterfragen muss.
Doch viel wichtiger als das, warum der Narzisst handelt, wie er handelt, ist das, was es mit dir macht, wenn dir die Richtigkeit deiner Gefühle abgesprochen wird. Wenn du deine Wahrnehmung nicht benennen darfst.
Das, was du benennen kannst, kannst du auch verarbeiten.
Das Verdrehen, Missachten, Kleinreden und Leugnen unserer Wahrnehmung und unserer Emotionen führt zur berüchtigten kognitiven Dissonanz: Unser Denken und unser Fühlen stehen nicht mehr miteinander im Einklang und machen uns Manipulierbar. Viele Fehlentscheidungen, die wir uns im Nachhinein kaum mehr erklären können, beruhen darauf.
Manchmal geht es so weit, dass wir unsere Gefühle, bevor sie lächerlich gemacht oder gegen uns verwendet werden, selbst so weit unterdrücken und verdrängen, dass wir sie gar nicht mehr spüren oder maximal noch als ein diffuses Gefühl, das wir nicht mehr genau benennen können.
Aber so muss es nicht bleiben
Schreibend können wir uns unseren Gefühlen wieder nähern und sie vor allem wieder greifbar und verständlich machen.
Bei Gefühlen, für die wir noch nicht die richtigen Worte finden, helfen Metaphern und Bilder. Und meist kommt die Erkenntnis erst im Laufe eines Prozesses, in dem wir einem – fiktiven – anderen und damit uns selbst begreifbar machen, was eigentlich gerade passiert.
Und auch hier eignet sich das Schreiben wieder ganz hervorragend. Denn Papier ist geduldig, wir werden nicht vom Gegenüber unterbrochen oder auf eine falsche Fährte geschickt, noch werden unsere Wahrnehmungen geleugnet oder bestraft. Und wir können uns so viel Zeit nehmen, wie wir benötigen, um Klarheit zu gewinnen.
So gewinnst du Klarheit über deine Gefühle
- Stimme dich ein in ein Gefühl, – positiv oder negativ – das du noch nicht genau benennen kannst, das du aber stark wahrnimmst.
- Stelle dir einen Menschen vor, dem du gerne dieses Gefühl beschreiben würdest. Was für einen Erfahrungshorizont hat dieser Mensch? Was bestimmt seine Welt? Womit kennt er sich gut aus?
- Verwende Begriffe, mit denen dieser Mensch etwas anfangen kann, um ihm dein Gefühl zu beschreiben: „Stell dir vor, das ist so, als würdest du…. oder als müsstest du, aber….“ Und so weiter.
- Mache es schriftlich. Mindestens eine halbe Seite lang, auf jeden Fall aber so lange, bis bei dir selbst ein Eindruck der Sicherheit über dein Gefühl entsteht. Ich bin sicher, es wird mit der Zeit immer klarer und greifbarer werden.
- Welche Bilder entstehen in deinem Geiste, während du dabei bist, das Gefühl zu beschreiben? Notiere auch sie.
Wie geht es dir damit? Hat es etwas angestoßen?
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