Narzisstischen Missbrauch überwinden

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Wenn Liebe zur Falle wird – Traumabonding und seine Folgen

Die Co-Abhängigkeit in toxischen Beziehungen – hierfür wurde vom amerikanischen Psychologen Patrick J. Carnes auch der Begriff Traumabonding oder Traumabindung  geprägt – gerät in letzter Zeit immer stärker in den Fokus. Sie erklärt, warum Menschen in Beziehungen mit einem narzisstischen Partner verstrickt bleiben und sich im Laufe der Zeit immer stärker an ihn binden, statt sich angesichts der Misshandlungen vom Täter zu distanzieren. Aufgrund der besonderen Dynamik des Traumabondings verliert das Opfer während des Kontakts zum Täter immer mehr die Fähigkeit, sich von diesem aus eigener Kraft zu lösen.

Wie entsteht Traumabonding?

In einer missbräuchlichen Beziehung finden oft wiederkehrende Missbrauchszyklen statt. In der Regel beginnt die Beziehung mit einer Phase des „Lovebombings“, in der das Opfer vom Täter idealisiert und mit übertriebener Zuneigung und Anerkennung überschüttet wird. Der Narzisst hebt den Partner sprichwörtlich in den siebenten Himmel. In diesem Zeitabschnitt wird das Gehirn des Opfers mit Dopamin – Glückshormonen – regelrecht überflutet.

Diese Phase wird jedoch oft schnell von einer Degradierungsphase abgelöst, in der der Partner von einem Moment auf den anderen herabgesetzt, abgelehnt, verlassen oder auf andere Art und Weise emotional misshandelt wird. Das Gehirn gerät aus dem Dopamin-Rausch auf einen Dopamin-Entzug. Das Opfer sehnt sich verzweifelt nach den guten Momenten der Anfangszeit, bis der Narzisst ihm Zuneigung und Anerkennung wieder zukommen lässt.

Wenn Bindung zur Sucht wird

Im Laufe der narzisstischen Beziehung wechselt der Narzisst oder die Narzisstin zwischen Idealisierung und Abwertung, wodurch das Gehirn des Opfers wie in einer Suchtdynamik einen Dopamin-Überfluss und einen Dopamin-Mangel im Wechsel erleidet.

Verknüpft der Täter nun die Idealisierungsphase mit Forderungen, auf deren Ablehnung er mit Bestrafung reagiert, so wird das zwischen Hoffnung und Angst pendelnde Opfer auf diese Art und Weise manipuliert und konditioniert. Im Anschluss an die Beziehung wird es sich möglicherweise fragen, wie es derartig gegen seinen gesunden Menschenverstand handeln konnte.

Diese Zyklen verstärken das Traumabonding und machen es dem Opfer zunehmend schwerer, sich aus der Beziehung zu lösen. Die Sucht nach dem Dopamin-Rausch in der Lovebombing-Phase führt dazu, dass das Opfer immer wieder zurückkehrt, weil es sich nach der anfänglichen positiven Verstärkung sehnt. Dabei wird die Realität der toxischen Beziehung verdrängt und das Traumabonding verstärkt.

In schwereren Fällen entwickelt das Opfer aufgrund der traumatischen Erfahrungen und einer häufig erfolgenden Isolation des Opfers durch den Täter eine starke emotionale Bindung zur missbrauchenden Person, das sogenannte Stockholm-Syndrom. Es nimmt seinen Peiniger als der einzigen verfügbaren Quelle von ein wenig Trost und Zuneigung in Schutz und identifiziert sich eventuell sogar mit ihm. Die missbrauchende Person nutzt diese emotionale Bindung nicht selten aus, indem sie dem Opfer sagt, dass es ohne sie nicht überleben kann oder niemand sonst es verstehen wird. Durch gezieltes Gaslighting kann der Täter das Opfer darüber hinaus dazu bringen, seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr zu trauen. Dieses beginnt dann, diese Gedanken zu internalisieren und wähnt sich tatsächlich in einer Abhängigkeit von seinem missbräuchlichen Partner.

Anzeichen eines Traumabondings

Scham

Missbrauchsopfer schämen sich oft oder es ist ihnen peinlich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie glauben vielleicht auch, dass der Missbrauch ihre Schuld ist oder dass sie ihn verdient haben. Diese negativen Selbstgespräche können die Betroffenen davon abhalten, die Hilfe in Anspruch zu nehmen, die sie brauchen, um sich aus der emotional manipulativen Beziehung zu befreien.

Ständiges Zurückkehren zum Missbraucher, auch während oder nach einer schweren Zeit

Manche Menschen versuchen, den missbrauchenden Partner zu verlassen, kehren aber immer wieder in die Beziehung zurück, auch nach schweren Auseinandersetzungen. Dieser Kreislauf führt oft dazu, dass sich die Betroffenen in der Beziehung gefangen fühlen, da sie sich scheinbar nicht dauerhaft von der emotionalen Bindung, die sie mit dem Missbraucher eingegangen sind, lösen können.

Rationalisierung des Verhaltens des Täters

Ein weiteres Anzeichen für ein Traumabonding ist, wenn Opfer beginnen, das Verhalten des Täters zu rechtfertigen. Sie entschuldigen oder bagatellisieren den Missbrauch und machen ihre eigenen Handlungen oder Gefühle für die Situation verantwortlich. Diese Normalisierung des toxischen Verhaltens kann dem Selbstwertgefühl des Opfers schaden und die emotionale Bindung zwischen ihnen und dem Täter weiter vertiefen.

Das Erkennen der Anzeichen einer Traumabindung ist für Menschen, die Missbrauch erlebt haben, der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben. Professionelle Hilfe kann an dieser Stelle helfen, die Loslösung zu beschleunigen und zu festigen.

Befindest du dich in einer Trauma-Bindung? Das kannst du tun.

  1. Gehe gut mit dir um und führe positive Selbstgespräche: Oftmals sind Opfer von Trauma-Bindungen sehr selbstkritisch und glauben, dass sie es nicht verdienen, eine gute Beziehung zu haben. Es ist wichtig, diese negativen Gedanken in positive Selbstgespräche umzuwandeln, um das Selbstwertgefühl zu stärken und den eigenen Wert wieder zu spüren.
  2. Verstehe die Dynamik der Bindung: Je mehr du über das Verhalten des Täters und die Trauma-Bindung im Speziellen weißt, desto besser kannst du verstehen, warum es dir so schwer fällt, dich von der Beziehung zu lösen. Du erkennst aber auch, dass dies nichts mit einer liebevollen, gleichberechtigten Partnerschaft, wie du sie dir vermutlich wünschst, zu tun hat.
  3.  Suche dir Unterstützung: Du musst nicht allein durch den Prozess gehen. Suche dir professionelle Unterstützung oder Selbsthilfegruppen, um deine Widerstandsfähigkeit und Selbstheilungsfähigkeit zu stärken.
  4. Mache deine Gesundheit zu deiner Priorität:  Es ist wichtig, auf dein Wohlbefinden zu achten. Erstelle dir selbst einen Zeitplan mit Aktivitäten, die du genießen kannst. Deine Emotionen auszudrücken, Freunden und Familienmitgliedern gegenüber oder allein, schreibend, kann eine große Hilfe sein.
  5. Setze Grenzen. Der Missbraucher wird oft nicht so schnell aufgeben, dich wieder in den Missbrauchskreislauf zurückzuziehen. Mache hier deine Grenzen absolut klar! Ideal ist der vollständige Kontaktabbruch zum Narzissten, ebenso wie zu seinen eventuell auftretenden Unterstützern, den Flying Monkeys.

Was ist therapeutisches Schreiben?

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Im Anschluss an narzisstischen Missbrauch tragen wir in der Regel eine ganze Batterie von negativen Emotionen und Überzeugungen mit uns herum. Das ist nicht verwunderlich, waren wir doch eine Zeitlang ein gut funktionierender seelischer Mülleimer für die narzisstisch gestörte Person. Therapeutisches Schreiben zielt darauf ab, eine Befreiung von diesen belastenden negativen Gedanken und Gefühlen zu erreichen und das Erlebte neu einzuordnen.

Im Gegensatz zur Psychotherapie, die von einem Therapeuten begleitet wird und schwere Traumata behandelt, ist das therapeutische Schreiben für psychisch stabile Menschen gedacht, die bestimmte negative Erfahrungen verarbeiten möchten. Durch das Scheiben kannst du diese Erfahrungen in gesunder Distanz gedanklich ordnen, ausdrücken und besser verstehen.

Der Schreibprozess ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit Erlebnissen und bietet dabei auch einen ganz persönlichen Schutzraum. Das Ziel des therapeutischen Schreibens ist es, das Innerste zum Ausdruck zu bringen und die Welt verständlicher zu machen, Distanz zu den Ereignissen zu gewinnen und diese zu reflektieren. Dieser Prozess ermöglicht es, neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Seele und Verstand werden befreit. Du kannst wieder Kraft schöpfen, um dich auf das Leben in all seinen Facetten einzulassen.

Schreiben als Prozess der Selbsterkenntnis

Freiheit und Spontaneität sind beim therapeutischen Schreiben das A und O. Lasse dich nicht – wieder einmal – durch Regeln oder Vorgaben einschränken und achte nur auf dich selbst. Erlaube dir, spontanen Gedanken und Gefühlen zu folgen und diese in Worte zu fassen, die für dich stimmig sind. Vorkenntnisse brauchst du nicht.

Du kannst dir zum Beispiel ein unangenehmes Ereignis vornehmen und versuchen, dieses zu beschreiben. Dabei achtest du auf deine Gefühle, auf Worte, die ausgedrückt werden wollen, aber auch auf innere Widerstände. Welche Erkenntnisse gewinnst du daraus?

Möglicherweise kannst du bereits einen roten Faden erkennen – eine Haltung zum Leben, eine Art, Dinge zu betrachten und zu bewerten, die typisch für dich sind. Oder einen, der sich durch das Ereignis, das dich immer wieder beschäftigt, kontinuierlich zieht. Ich gratuliere dir dazu: Der Prozess des therapeutischen Schreibens hat bereits seine Wirkung entfaltet.

Es liegt in der Natur der Sache, dass du beim therapeutischen Schreiben traurige und verletzende Erfahrungen aufarbeitest. Doch auch das Schöne, das, was das Leben hell und freundlich macht, soll zu Wort kommen dürfen.

Schreiben als künstlerischer Prozess

Beim therapeutischen Schreiben finden die üblichen Maßstäbe, die an literarisches Schreiben gestellt werden, keine Anwendung. Nichtsdestotrotz trainierst du deine Schreibfähigkeit, kannst du deine Ergebnisse sammeln und eventuell an anderer Stelle künstlerisch weiterverarbeiten. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Auch ich habe schon autobiografische Erlebnisse und Erinnerungen in literarischen Geschichten verarbeitet und so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Der Nutzen des therapeutischen Schreibens liegt jedoch an dieser Stelle ganz klar auf dem positiven Einfluss auf unser Leben. Wir können uns von belastenden Erinnerungen befreien – ganz in unserem eigenen Tempo. Gleichzeitig – und das ist vor allem bei Überlebenden von narzisstischem Missbrauch ausgesprochen wichtig – können wir unsere Sichtweise auf die Dinge überprüfen und neu bewerten. Wir kommen auch an Themen heran, die wir nicht sehen wollten, und die umso mehr Macht über unser Unterbewusstsein erlangt haben. Wir gelangen zu Erkenntnissen, die wir bislang vermieden haben. Wenn wir die Dinge benennen können, haben wir sie verstanden. Nimm diese Freiheit, die du beim Schreiben machst, in deinen Alltag auf und erlaube dir, die Dinge wieder aus deiner ganz eigenen Perspektive zu betrachten, einzuordnen und neu zu gestalten.

Das leistet therapeutisches Schreiben

Jede Übung des therapeutischen Schreibens trainiert das Bewusstsein und die Selbstbestimmung. So kommst du Schritt für Schritt wieder zurück in deine Kraft und kannst das Ruder deines Lebens wieder selbst in die Hand nehmen. Durch eine Neubewertung der Ereignisse kannst du Grübelschleifen sprengen und dich von eventuellen Schuld- und Schamgefühlen befreien. Du bekommst neue Antworten und einen neuen Blickwinkel auf die Siutation. Dabei bist du völlig frei. Du kannst das Geschehene aus verschiedenen Perspektiven betrachten, die Ereignisse verdichten, verändern, beschleunigen, verlangsamen, mit den Geschehnissen spielen, so lange, bis sie dich nicht mehr belasten. So kannst du die Erfahrungen neu bewerten und in dein Leben integrieren. Selbst lange verdrängte Erlebnisse – können so behutsam wieder an die Oberfläche geholt, neu geordnet und endlich als vergangen begriffen und losgelassen werden. In der Psychologie bezeichnet man dies als Katharsis – sie kann kurz schmerzhaft sein, ist dann jedoch etwas ausgesprochen Befreiendes, das dir neue Energie für dein zukünftiges Leben gibt.

Nun kannst du deine Geschichte neu erzählen und einen kraftvollen Schlusspunkt hinter das Erlebte setzen. Der Blick wird frei für das Leben, das vor dir liegt. Du bist wieder der Protagonist oder die Protagonistin in deinem eigenen Leben.

Ich wünsche dir ganz viel Erfolg.

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